Mccoi - Kettenöler
Ein altes Sprichwort sagt: Wenn es dem Esel zu wohl wird, dann geht er aufs Eis.
In meinem Fall heißt das: Er schaut nach einem automatischem Kettenöler.
Ob der gewohnte, mit Kettenspray bewaffnete Kniefall hinter dem Motorrad insgesamt tatsächlich mehr Aufwand bedeutet, als ein zusätzliches Bauteil, das gesucht, auf- und eingebaut und gewartet werden muss, sei dahingestellt. Zumindest macht letzteres mehr Spaß; und darum geht es beim Motorradfahren.
Auf der Suche nach einem passenden System bin ich schließlich beim Mccoi gelandet, der wirklich den absoluten Overkill in Sachen Kettenschmierung darstellt. Mikrocontollergesteuert erfasst er die Strecke, die Geschwindigkeit und eventuelle regenbedingte Nässe, ölt die Kette unabhängig von Temperatur und Füllstand und unterhält den Fahrer mit bunten
LEDs, die den jeweiligen Betriebsstatus dokumentieren. Vertrieben wird er auf einer symphatischen Webseite mit eigenem Forum, wo tatsächlich genug Diskutierstoff anfällt um die Sache lesenswert zu machen.
www.mccoi.de
Dass das Ding selbst zusammengebaut werden muss, stört mich als langjähriger Inhaber der Lizenz zum Löten nicht.
Erster Akt: Aufbau
Bestellt, ratzfatz beliefert und um 134 Euros ärmer sichte ich den Inhalt des Päckchens. Übersichtlich aufgeräumt in einzeln beschriftete Tütchen verpackt präsentieren sich die Bauteile. Jedes Tütchen mit
Mccoi-Logo: Mccoi-Platine, Mccoi-Bauelemente, Mccoi-Magnet, Mccoi-Gummibä... äh,
tschulligung, Mccoi-Löt-und Aufbauhilfe muss das heißen, Mccoi-Pumpe,
Mccoi-Schlauch, usw.
Den ersten Mccoi-Schreck jagt mir die Mccoi-Platine ein. In drangvoller Mccoi-Enge streiten sich die Mccoi-Bauelemente um den wenigen verfügbaren
Mccoi-Platz. Auf der Mccoi-Website sah die Mccoi-Platine irgendwie größer aus.
Mit Mccoi-Unmut vermerke ich fürderhin, dass die Mccoi-Widerstände nicht mehr wie in meiner Mccoi-Jugend drei, sondern vier Mccoi-Farbringe ....
Hier muss ich kurz unterbrechen. Selbst auf die Mccoi-Gefahr hin, dass ich mir den Mccoi-Zorn der gesammelten Mccoi-Fans zuziehe und auf irgendwelche Schadensersatzansprüche wegen Nichtverwendung des Firmennamens verklagt werde, verzichte ich zugunsten der besseren Lesbarkeit auf den weiteren exzessiven Einsatz des Wortes
Mccoi. Der geneigte Leser möge mir das nachsehen, da ich zu meiner Entschuldigung anführe, in meinem fortgeschrittenen Alter zunehmend zu Altersstarrsinn zu neigen.
Also nochmal: Mit Unmut vermerke ich fürderhin, dass die (Mccoi)-Widerstände nicht mehr wie in meiner Jugend drei, sondern vier Farbringe tragen und ich den jeweiligen Widerstandswert nicht mehr wie früher durch nachlässiges Hinblinzeln aus den Augenwinkeln erkenne, sondern die Tabelle bemühen muss.
Der Aufbau geht flott von der Hand, die Widerstände werden noch schnell mit dem Multimeter quergecheckt, jedes Bauteil wird sorgfältig eingelötet. Die im Handbuch nach dem Aufbau empfohlene dreimalige Prüfung auf Verpolungen, Lötbrücken, kalten Lötstellen oder ähnlichem kann bei mir selbstverständlich entfallen, da ich gewissermaßen quasi als Löt-Gott geboren wurde.
Also Netzgerät an, 12 Volt eingestellt, angeschlossen (richtige Polung) und das Ding funktioniert - nicht!
Sakrazementnochamal!
Also doch die oben genannte Prüfung. Nachdem ich nicht nur drei- sondern mindestens fünfmal durch bin und nichts gefunden habe, lehne ich mich schwer atmend zurück. Sollte ich einen Halbleiter beim Löten zu gut durchgebraten haben? Mein Blick schweift über den Arbeitstisch. Wenigstens die beiden ICs kanns nicht erwischt haben, denn die stecken ja noch sicher in ihrer Transportmatte...
Moment mal! ICs? Transportmatte?
Der darauf folgende Fluch übertrifft den ersten sowohl in Lautstärke, als auch in Deutlichkeit und entzieht sich jeglicher Drucklegung.
Nachdem die beiden Käfer auf die Platine in ihre Sockel umgesiedelt worden sind, ist das Verhalten der Schaltung wie ausgewechselt. Sie funktioniert.
Kaum zu glauben, was das ausmacht...
Es ist aber auch eine dumme Angewohnheit, Sockel unter ICs vorzusehen. Sowas macht man einfach nicht! Richtige echte Männer sockeln nicht! - und fluchen dafür umso lauter, wenn so ein IC mal raus muss.
Grmpf!
Nächster Akt: Einbau ins Motorrad
Die zeitraubenste Angelegenheit beim Einbau ist die Suche nach den geeignetsten Plätzen für Tank, Pumpe und Elektronik. Schließlich soll sich das Ganze möglichst elegant und - möglicherweise zum Unwillen des Herstellers Steffen - unsichtbar einfügen. Zu berücksichtigen ist auch, dass man ab und zu an die Elekronik mit ihrem Taster, Poti und dem Hexwähler heranmöchte.
In meinem Fall einer FJ1200 fand sich Platz für Tank und Pumpe links im Rahmendreieck, für die Elektronik rechts neben der Batterie.
Nach anfänglichen Überlegungen, die Spendekanüle am vorderen Ritzel unterzubringen entschied ich mich nach Sichtung der Platzverhältnisse dagegen. Nicht nur, dass es an geigneten Oberflächen zum Kleben mangelt, es wird die Funktionskontrolle nahezu verunmöglicht und außerdem müsste die gesamte Spendeneinheit bei einem Kettenwechsel entfernt werden. Die Kanüle fand daher in gewohnter Weise am hinteren Kettenrad Platz.
Die drei LEDs nebst Crossschalter wurden unauffällig in Cockpitnähe untergebracht, der Regensensor am inneren Rand des hinteren Schutzblechs.
Irgendwann durfte ich zu meinem großen Erstaunen feststellen, dass die alten
FJs, obwohl sie einen mechanisch angetriebenen Tacho besitzen, auch ein elektrisches Tachosignal zur Verfügung stellen. Dieses Signal mündet im Blinkrelais und stellt bei ausländischen Varianten nach einer bestimmten Strecke automatisch den Blinker ab. Da diese Funktion in D nicht erlaubt und daher nicht benutzt wird, ist dieses Signal weitgehend unbekannt. Bei den FJs ab Bj. 91 wird meinen Unterlagen nach dieses Signal auch nicht mehr zur Verfügung gestellt.
Meine ist jedoch alt genug, daher gibt der Mccoi diesem Signal auf seinen alten Tage endlich eine Daseinsberechtigung.
Nächster Akt:
Provisorischer elektrischer Anschluss und Test
(mit Betonung auf provisorisch)
Der Mccoi ist nachweislich elektrisch stabil und sinnvoll aufgebaut. Vor falscher Polung ohne zwischengeschaltete Sicherung schützt er sich durch eine Diode, die unbedarften Menschen bei normaler Polung als Schutzdiode für den BUZ 11 erscheinen mag. Diese Diode, nunmehr in Flussrichtung, schließt die Spannungsquelle kurz und sorgt damit unter eigener Aufopferung für die Verdampfung einer Leiterbahn, was wiederum den Rest der Schaltung nachhaltig vor jeglichen sowohl falschen als auch richtigen Spannungen bewahrt. Der Benutzer wird durch ein strenges, etwas unangenehmes olfaktorisches Signal benachrichtigt.
Aber eigentlich wollte ich das gar nicht so genau wissen (Irgendwie habe ich beim nächlässigen Hinsehen den Kreuzschlitz der Batterieanschlussklemme offenbar als plus angesehen).
Grmpf!
Nachdem die Schaltung wiederhergestellt war, erfolgte ein erneuter provisorischer Anschluss - diesesmal richtig rum.
Die LEDs auf der Platine arbeiten korrekt, das Tachosignal wird erkannt, der Regensensor funktioniert, die Pumpe brabbelt auf Tastendruck.
Funktionieren auch die externen Status-LEDs? Ich beuge mich Richtung Cockpit, drücke den Taster und...
Argh!
Ich finde, Steffen täte gut daran, darauf hinzuweisen, dass er die LEDs aus Restbeständen des ehemaligen SDI-Programms aufkauft und verwendet. Man erinnere sich: In den 80er Jahren versuchten die Amis mit speziellen SDI-Satelliten anfliegende Raketen über hunderte von Kilometern mit speziellen Lichtquellen zu blenden.
Nachdem nach einigen Stunden mein Sehvermögen wieder rudimentär arbeitet, werden die LEDs mit höheren Widerständen versehen.
Jetzt findet auch der endgültige Einbau statt: Die Kabel werden passend gekürzt und verbunden, die Schläuche ordentlich verlegt und der Tank mit Sägekettenöl gefüllt.
Vorletzter Akt: Finaler Funktionstest.
Längerer Tastendruck und - nichts.
Sakra... - Halt! Jetzt nicht fluchen! Töchterchen befindet sich in Hörweite und ich weiß, dass es i.a.
unwirsch auf verbale Husarenstückchen reagiert.
Grmbl.
Was ist los? Nochmal Tastendruck mit einem Finger auf der Pumpe. Sie zittert leicht, d.h. sie müßte auch pumpen. Allerdings kommt nichts.
Da die verwendeten Schläuche durchsichtig sind, läßt sich die Bewegung der Flüssigkeitssäule gut verfolgen. Ich stelle zweierlei fest:
1. Die Säule ist keine Säule, sondern eine Abfolge von Tropfen und Luftblasen.
2. Diese Grobemulsion bewegt sich nur ganz zu Anfang des Tastendrucks ein wenig vorwärts.
Das erste Problem wird durch die Beseitigung eines winzigen Risses im Saugschlauch im Tank behoben, das zweite durch den Einbau einer weniger mürben Batterie (Mit gebrechlichen 8 V tut sich auch der Mccoi schwer).
Irgendwann kommt dann auch der erste Tropfen Öl aus der Kanüle.
Jetzt noch die Programmierung: Hex-Schalter auf 1, langer Knopfdruck, Vorderrad 10-mal drehen, langer Knopfdruck, Bohrmaschine an die Tachowelle und Gas, die Bohrmaschine schafft stramme 130 km/h, die 1000 Meter sind in einer knappen halben Minute erledigt, nochmal langer Knopfdruck, fertig.
Letzter Akt: Probefahrt
Ich machs kurz: Alles funktioniert und macht Spaß.
So wie Motorradfahren sein soll.